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Politik Probierä: WTF is IWF?

Rubrik von Nina us der Sendung "Tierrechtsradio" vom 13.5.2023.



Willkommen zurück bei einer neuen Ausgabe von “Politik Probierä” mit Nina. Ich bin Nina - und heute probiere ich mal, euch (und gleichzeitig mir) den IWF zu erklären - also den Internationalen Währungsfond. Dabei vorweg, wie immer, der Disclaimer: Dies ist natürlich keine objektive Erklärung, sondern eine politische Rubrik, bei der v.a. meine persönliche Meinung einfliesst. Ich vertrete also auch nicht unbedingt die Ansichten der anderen TRR-Mitglieder und nehme Feedback darum auch gerne persönlich entgegen ;)


Wieso uns also heute mit dem Internationalen Währungsfond beschäftigen? Nun, einerseits trägt der IWF - als mächtigste Finanzorganisation der Welt - allgemein wesentlich zur Politik und zum Weltgeschehen bei, weshalb es sich lohnt, ihn zu kennen. Andererseits hat der IWF, bzw. dessen Schuldenpolitik, sehr viel mit dem Ukraine-Krieg zu tun, dessen Ursachen und Vorgeschichte wir in der letzten Ausgabe dieser Rubrik Thema besprochen haben.


Ich habe dort versucht, aufzuzeigen, dass es beim Krieg in der Ukraine um mehr geht als nur um den Einmarsch Russlands. Anhand der Euromaidan-Proteste haben wir gesehen, dass auch die USA ein Interesse daran hatten, Janukowitsch zu stürzen, und sie den Putsch - wenn auch nicht “orchestriert” - doch massgeblich, organisatorisch und finanziell, beeinflusst haben.


Nun geht es quasi um die Hintergründe dieser Interessen, die u.a. die USA dort vertreten haben - und nochmal um die Frage, was diese Interessen denn überhaupt sind. Die Antwort darauf ist relativ simpel: Es geht einerseits um Ressourcen und andererseits um politischen Einfluss, den man gewinnt, wenn man ärmere Länder über den IWF Kredite in die Verschuldung zwingt. Aber von vorne:


Was genau ist eigentlich der IWF?

Der unabhängige Journalist Tahir Chaudhry definiert es auf Youtube folgendermassen:


"Der IWF ist die mächtigste Finanzorganisation der Welt. Seit seiner Gründung nach dem 2. Weltkrieg soll er die Stabilität des gesamten Finanzsystems gewährleisten. Fast alle Länder der Welt gehören zu seinen Mitgliedern. Der Sitz ist in Washington DC, ihre Währung ist der US-Dollar. Und der grösste Stimmanteil liegt bei den USA. Die Mitglieder des IWF zahlen entsprechend ihrer Wirtschaftskraft in diesen Fond ein, und wenn eines von ihnen in eine Krise gerät, versorgt der IWF es mit Liquidität in Form von Krediten. Diese Kredite sind seit Beginn der 80er Jahre an bestimmte Bedingungen geknüpft: Stabilisieren, Deregulieren, Liberalisieren, Privatisieren. Kritiker wie Joseph Stiglitz, Nobelpreisträger für Wirtschaft und ehemaliger Chefvolkswirt der Weltbank, werfen dem IWF einen Übergriff auf das Selbstbestimmungsrecht von Staaten unter dem Einfluss der USA vor. Aber auch eine Verschärfung von sozialer Ungleichheit rund um den Globus: Armut, Hunger und Analphabetismus."



In dem Zusammenhang auch noch ein paar Worte zur Weltbank, die meistens in einem Zug mit dem IWF genannt wird. Die Weltbank ist eine Schwesterorganisation des IWF, deren Aufgabe es ursprünglich war, projektbezogene Kredite an Entwicklungsländer zu vergeben. Über diese Aufgabe hinaus begann die Weltbank in den 1980er Jahren, umfassendere Strukturanpassungskredite bereitzustellen - immer nach den vom IWF diktierten Auflagen. Und weil die Entwicklungsländer eigentlich immer Hilfe brauchen, wurden beide Organisationen zu festen politischen Akteuren in den jeweiligen Schuldnerländern.


Was hat es also mit dieser Schuldenpolitik auf sich?

Man muss dazu wissen, dass reichere Länder schon lange von der Verschuldung von ärmeren Ländern profitieren, um sich dort Ressourcen und politischen Einfluss zu sichern. Bereits nach dem Ende der Kolonialisierung im 20. JH gewährten die Kolonialmächte ihren ehemaligen Kolonien fast unbeschränkte Kredite, damit diese sich nach dem Vorbild des kapitalistischen Westens entwickeln konnten. Die Kolonien waren verschwunden, aber durch die Kredite konnten die alten Kolonialmächte auch weiterhin die Reichtümer dieser Länder ausbeuten und dort neue Märkte eröffnen.


In dieser ausbeuterischen Tradition haben sich also der IWF und die Weltbank entwickelt, und sie sind so gewissermassen zu einem “Instrument” des westlichen Imperialismus geworden. Man muss wissen: Jede vom IWF oder von der Weltbank gewährte Hilfe, also jeder Kredit, führt zu neuen Schulden, deren Tilgung wiederum Jahre in Anspruch nimmt. Die Rückzahlungsverpflichtungen sind oft so erdrückend, dass die Bevölkerung extrem darunter leidet - wie wir am Beispiel von Griechenland gesehen haben. Um die Schulden zurückzahlen zu können, werden z.B. Mindestlöhne gesenkt und Sozialausgaben gekürzt; die gesamte Bevölkerung wird also zum Schuldendienst verdonnert. Und je schwerer es für ein Land ist, die Schulden zu begleichen, desto mehr profitieren die Geldgeber - denn ein Zahlungsaufschub ist oftmals an noch drakonischere Bedingungen geknüpft.


Jean Ziegler geht in seinem Buch “Die neuen Herrscher der Welt” ausführlich darauf ein.


Jedenfalls hat die Ukraine diese Schuldenpolitik sehr heftig zu spüren bekommen, und das schon lange vor dem Einmarsch Russlands. Bereits 1992 ist sie dem IWF beigetreten, kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Den Ukrainer:innen ging es damals sehr schlecht: Bis 1997 verringerte sich das Pro-Kopf-Einkommen um fast 60%, obwohl das Land über wichtige Ressourcen verfügte (u.a. die besonders fruchtbaren Schwarzerde-Böden, welche sie zu einem der grössten Weizenexporteure der Welt machten). Diese Kombination aus ‘arm aber ressourcenreich’ machte die Ukraine besonders interessant für den IWF.


So kam es also, dass die Ukraine 1998 einen ersten Kredit beim IWF beantragte und dafür einen ersten “Letter of intent” verfasste - ein Dokument also, das aufführt, zu welchen Massnahmen sie sich verpflichten, um den Kredit zu “verdienen”. Die Massnahmen beinhalteten schon damals - 1998 - u.a. Sozialabbau, Steuersenkungen für Reiche und Unternehmen, Steuererhöhungen für Bürger:innen, Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitsbereich und ein erhöhtes Rentenalter.


Kurz: Die gesamte neoliberale Agenda von Weltbank und IWF.


Im Laufe der Jahre wurden die Kredite vom IWF an die Ukraine dann immer höher - und die Reformmassnahmen immer drastischer. Nach anfänglich 2,2 Milliarden Dollar im Jahr 1998, wurde ihnen Anfang der 2000er ein Kredit von 16,4 Milliarden gewährt - wobei davon aber noch 5 Milliarden eingefroren worden, weil die Ukraine frecherweise gegen den Willen des IWF Mindestlohn und Renten erhöht hatte. Trotzdem wurde ihnen dann 2010 ein weiterer Kredit, diesmal in der Höhe von 15,5 Milliarden, versprochen - und dessen Auszahlung wurde wiederum gestoppt, weil sich die ukrainische Regierung unter Janukowitsch nicht an die geforderten Kürzungsmassnahmen und Preis-Liberalisierungen gehalten hatte.


Man muss wissen: Eine der Kernforderungen des IWF war es, die Gaspreise für Privathaushalte um ganze 50% zu erhöhen - und das bei einem Mindestlohn von 3,86 € / Tag! Das heisst: Menschen, die sich die Heizkosten eh schon kaum leisten konnten, sollten jetzt wegen dem IWF-Kredit jetzt noch mehr frieren - und das angesichts der Kältewellen der damaligen Jahre, welche Tausende von Opfern forderten. …


Das war also die Situation in der Ukraine, als es 2014 zu den Maidan-Protesten kam. Präsident Janukowitsch musste sich entscheiden zwischen einem IWF Kredit - mit drastischen Folgen für die Bevölkerung - und einem Kredit von Russland. Letzterer würde zwar ebenfalls zu politischer Abhängigkeit führen - einfach von Russland - aber er versprach immerhin eine Senkung der Gaspreise und erlaubte es ihm, die strengen Bedingungen des IWF-Kredits zu umgehen. So entschied sich Janukowitsch also für den Kredit Russlands, und nicht nur das: Er lehnte ausserdem das Assoziierungsabkommen mit der EU ab, welches Handelsbeziehungen stärken und eine politische Zusammenarbeit etablieren sollte. Tatsächlich schiess er Brüssel damit ziemlich vor dem Kopf: Es war die erste offizielle Zurückweisung eines Assoziierungsabkommens überhaupt, die die Europäische Union im Zuge ihres Vormarsches in Richtung Osten erhielt.


Mit dieser Ablehnung war Janukowitschs Schicksal besiegelt: Kurz darauf brachen die pro-europäischen Maidan-Proteste aus, welche in Gewalt eskalierten und zu seiner Absetzung führten. Kein halbes Jahr später herrscht Bürgerkrieg im Land; Rechtsradikale gewinnen an Einfluss und das Parlament wird - unter starkem Druck von EU und USA - mit pro-westlichen Kandidaten besetzt. Drei Wochen nach dem Amtsantritt dieser sogenannten Interimsregierung wurde das Assoziierungsabkommen dann doch noch unterzeichnet und die Ukraine verpflichtete sich, Handelsbeziehungen mit Russland zu unterbrechen. Ein Punkt also für den Westen.


Doch was hat das mit dem IWF zu tun?

Nun, wie auch schon im Fall Griechenland, musste Brüssel bei seiner Erweiterungsstrategie den IWF ins Boot holen und sich damit weiter von dessen Geld und Bedingungen abhängig machen. Konkret ging es dabei um einen Kredit in der Höhe von diesmal 13 Milliarden Euro, mit dem russische Einflüsse zurückgedrängt und “profitable Verhältnisse” für westliche Investoren geschaffen werden sollten.



Ein weiterer “Letter of Intent” wurde also verfasst, in dem die Interimsregierung ihren Willen zu Protokoll gibt, wieder mal das Volk für den Kredit bluten zu lassen. Wiedermal muss also überall an Budget gespart werden, u.a. durch die "Rationalisierung" von Sozialausgaben und durch das Einfrieren des Mindestlohns, der damals in der Ukraine 74 € pro Monat beträgt. Gleichzeitig versucht man weiter, das Land aus der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Russland zu lösen, insbesondere was die Lieferung von Gas betrifft.



Ich könnte jetzt noch lange erzählen, was seither im Namen des IWF alles in der Ukraine passiert ist - euch z.B. noch etwas über die Landreform von 2020 oder über die moralisch klingenden Anti-Korruptionsmaßnahmen erzählen - aber ihr könnt es ja selber googlen, wenn es euch interessiert. Betonen möchte ich einfach noch, dass die Verschuldung seit Kriegsbeginn natürlich nochmal enorm gestiegen ist. Um die massive Zerstörung der Infrastruktur und die Umstellung auf Kriegswirtschaft zu bewältigen, hat die Ukraine nicht nur weitere IWF-Kredite aufgenommen, sondern sich auch noch zusätzlich bei EU-Institutionen wie der europäischen Investmentbank und mit bilateralen Krediten mit Ländern wie den USA, Kanada, Japan und Deutschland verschuldet*


Mit den Worten von KlasseGegenKlasse:

“Die Konsequenz davon ist eine noch radikalere Politik gegen Arbeiter:innenrechte der ukrainischen Regierung. So erließ die Selenskiy-Regierung 2022 ein Gesetz, dass für Unternehmen von einer Größe von bis zu 250 Angestellten sämtliche Arbeiter:innenrechte beseitigt. Dies bedeutet beispielsweise, dass es für Unternehmen dieser Größte künftig keine Tarifverträge mehr gibt und jeder Vertrag individuell ausgehandelt wird, und dass auch jeglicher Kündigungsschutz verfällt und Angestellte grundlos entlassen werden können. Laut dem Arbeitsrechtsanwalt George Sandul wird es auch künftig möglich sein, beliebige Inhalte in Arbeitsverträge zu schreiben, wie etwa eine 100-Stunden-Woche. Diese Regelungen betreffen nun rund 70 Prozent der ukrainischen Arbeiter:innenklasse. Als wäre das nicht genug, geht der ukrainische Staat auch hart gegen die Gewerkschaften selbst vor und beschlagnahmte unter Vorwänden Gewerkschaftseigentum im Wert von 200 Mio €.”



Wir sehen also: Die Ukraine ist komplett von den westlichen Geldgeber:innen abhängig und war das auch schon lange vor dem Einmarsch Russland. Wenn die USA, die EU und die NATO-Staaten heute so erpicht darauf sind, der Ukraine Waffen zu liefern, dann ist das nicht aus Nächstenliebe, sondern v.a. weil sie die Ukraine und ihren Einfluss dort keinesfalls an Russland verlieren wollen. Anhand der IWF-Kredite und deren Bedingungen zeigen sich die immer zitierten “geopolitischen” Interessen - insbesondere der USA, welche den IWF quasi unisono führt und so ihre weltpolitische Machtstellung sichert.


Das hat uns auch Julian Assange gezeigt - aber dazu ein andermal mehr.


Für heute will ich nur noch John Pilger zitieren, einen australischen Journalisten und Dokumentarfilmer, der sagte: “Es ist in vielerlei Hinsicht wie ein kolonialer Krieg. Nur werden die Menschen heute nicht mehr durch Besatzer-Armeen kontrolliert werden, sondern ‘gehobenere’ Mittel, deren Hauptwaffe die Schulden sind.”


Dieser Text als Audiobeitrag:

Ganze Sendung "Tierrechtsradio" vom 10.6.23:

Ihr könnt mir wie immer unter tierrechtsradio@gmail.com schreiben.


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